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30.12.2024, 18:06 |
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Sie wollen Aussteller werden? Verfasst am: 06.10.2007, 15:09 |
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Mike Kramer
Hundeausstellungen ?!
Sie sind weiblichen Geschlechts, haben einen Westie, der vielleicht einige körperliche Vorzüge aufweist und eventuell einen Mann, den nicht viel aus der Ruhe bringt (besondere Schönheit ist hier nicht vonnöten, wie ich weiß)?
Sie sind beide an Wochenenden abkömmlich und haben ein Auto, welches sie bisher immer heil überall hin gebracht hat und über einigen Stauraum verfügt?
Prima, dann machen Sie sich doch einmal Gedanken, ob Ihr Leben nicht bisher zu eintönig verlaufen ist.
Vielleicht haben Sie ja schon einmal überlegt, ob Sie nicht irgendwann mit dem Fallschirm aus 2000m Höhe aus dem Flugzeug springen sollen – kurzum: Sie möchten mal einen richtigen Nervenkitzel erleben??
Wenn Sie die ersten Fragen mit JA beantworten konnten, steht dem nun kaum noch etwas im Wege: Melden Sie bei einer Hundeausstellung!
Klar, wie bei jeder adrenalinfördernden Tätigkeit ist eine gewisse Vorbereitung unabdingbar, selbst wenn alle anderen Voraussetzungen stimmen. Wer ins Wasser springt, sollte schwimmen können – oder wenigstens wissen, wie er an einen Rettungsring kommt.
Der Züchter Ihres Hundes wird Ihnen bereits in den ersten Monaten sagen können, ob Ihr Hund zu mehr als einem reinen Familienhunddasein geeignet ist, und sie sollten ihn in diesem Falle bitten, Ihnen beim Erwerb der notwendigen Grundkenntnisse behilflich zu sein. Ohne das Wissen, wie eine Ausstellung abläuft, wie ein Hund im Ring vorgeführt wird und welche Vorbereitungen zu welcher Zeit notwendig sind, würde Ihnen, um bei dem Vergleich zu bleiben, gleich beim ersten Sprung der Fallschirm fehlen.
Richten Sie sich auf eine intensive Zeit der Beschäftigung mit Ihrem Hund ein und seien Sie sich immer bewusst, dass eine bellende Kautschkartoffel mit Sicherheit auch bei guter Anatomie kein Ausstellungshund wird. Ideal ist es natürlich, wenn Sie erst mal als Zuschauer am Ring stehen können, wenn Ihr Züchter einmal Ihren Hund ausstellt. Beobachten Sie an dem Tag dann nicht nur Ihren Hund und Sie bekommen einen guten Eindruck von dem, was Sie vielleicht bald erwartet:
Die Auswahl der Ausstellung aus dem recht großen Terminangebot ist ein erster Schritt. Hier tut Beratung Not, denn nicht jeder Typ Westie wird von jedem Richter gleich beurteilt. Zudem sind auch die zu erwartenden anderen Aussteller ein wichtiger Faktor. Seien Sie sich bewusst, dass Sie, auch wenn Sie (sowieso) – und vielleicht auch andere (kritischer) – von der Qualität Ihres Hundes überzeugt sind, vorerst an einigen Größen der Szene kaum vorbeikommen werden.
Hier können Sie dann Zeit und Geld sparen (Zum Vergleich: versuchen Sie nicht, aus einem Flugzeug zu springen, dessen Flughöhe andere bestimmen).
Wenn Sie wissen, wann es losgeht, kommen die Tage der Vorbereitung. Hier benötigen Sie eine lange „Lernzeit“ oder sachkundige Hilfe, die Ihnen Ihr Züchter sicherlich gern einmal gewähren wird.
Nun ist Ihr Hund fit für den großen Tag.
Sie werden das Kribbeln in der Magengegend in der Woche vor der Schau mit jedem Tag intensiver merken. Hier kommt nun der zu Anfang erwähnte „belastbare“ Lebensgefährte ins Spiel. Er sollte der ruhende Pol sein und das labile Gleichgewicht zwischen Kick und Horror aufrecht erhalten.
Am Tag vor der Ausstellung wird gepackt. Papiere, Trimmtisch (bei den ersten Malen können Sie sicherlich den Tisch Ihres „Lehrers“ benutzen), Pflegewerkzeuge, Klappstühle, Verpflegung, Wegbeschreibung, Transportbox für den Hund, Vorführleine – Sie sehen, was mit dem Stauraum des Autos gemeint ist.
Der Ausstellungstag. Früh aufstehen. Wenn es regnet, wird es schon hier interessant. Wie führe ich den Hund gassi, ohne dass er sein Aussehen nachteilig verändert? Um 8 Uhr ist Einlass auf dem Ausstellungsgelände.
Ist die Autobahn frei?
Wie weit ist es von dem Parkplatz zum Ausstellungsgelände?
Ist alles eingepackt?
Machen Sie Ihren Hund nicht nervös!! Sehen Sie, wie wertvoll hier wieder der „belastbare“ Lebensgefährte oder Begleiter ist?
Auf dem Ausstellungsgelände. Die gesamte Ausrüstung samt Hund muss an den Ring. Immer noch Regen? Das erhöht den Erlebniswert der Aktion! Kontrolle der Impfausweise am Eingang. Sie haben doch den Impfausweis mit, oder?? Und wo steckt der gerade??? Wenn sie Ihren Hund an der Leine halten, kommt mit Sicherheit ein anderer Hund vorbei und knurrt, wenn Sie mit Ihren Gedanken und Blicken Tief in irgendeiner Tasche nach dem verflixten Ausweis suchen.
Ihr Begleiter ist wenig hilfreich, steht er doch gerade bepackt wie ein Muli hinter Ihnen. Endlich in der Halle. Wo ist mein Ring? Wo bekomme ich die Startnummer.
Die Handhabung eines Ausstellungskataloges mit Hund an der Leine, Impfausweis zwischen den Zähnen und Tasche mit Utensilien in der anderen Hand, eingekeilt in einen Strom nachdrängender nervöser Menschen und Hunde ist ein weiterer Kick. (Vergleich: Ihre Maschine rollt in Startposition)
Endlich am Ring. Alle Sachen abgeladen und sortiert. Ein erster intensiver Blick in den Katalog. Who is Who? Und wo stehen die Anderen? Sind überhaupt alle da? Oder steigen die eigenen Chancen durch das Fehlen von Mitbewerbern? Über den Ausstellungsringen liegt eine Atmosphäre wie vor einem Gewitter.
Es knistert in der Luft!
Die ersten Hunde stehen auf den Tischen und werden vorbereitet. Sie werden dort auch noch in zwei Stunden stehen und vorbereitet werden, selbst wenn die Rasse erst ganz zum Schluss in den Ring muss. An einer Fellbürste kann sich der Besitzer eines Hundes herrlich festhalten, um seine eigene Nervosität zu überspielen.
Im Ring hat das Richten begonnen. Wissen Sie schon ungefähr, wann Sie dran sind? Wer passt denn am Ring auf, welche Rasse/Klassen gerade laufen. Muss der Hund noch mal zum Löseplatz? Hoffentlich regnet es nicht mehr. Im Ring ruft der Ringsekretär Ihre Klasse auf. Sie haben doch schon die Startnummer angeheftet? Jetzt nur rechtzeitig im Ring stehen.
Die Anderen sind schon da. Wo muss ich hin? Wer hat welche Startnummer? Na, erscheint der eigene Hund im Angesicht der Mitbewerber noch immer als der Beste? Sie konzentrieren sich noch darauf, Ihren treuen Vierbeiner optimal aufzubauen, da fordert der Richter schon zum Laufen auf (Vergleich- Sie sind gesprungen, zurück geht es nun nicht mehr).
Die Konzentration auf den eigenen Hund, den richtigen Abstand zum Vorder- und Hintermann und gleichzeitig auch auf den Richter lassen alles außerhalb des Ringes vergessen. Nach 2-3 endlosen Runden -halt. Einzelvorführung der Hunde auf dem Tisch.
Zeit für intensivere Beobachtung der anderen Hunde im Ring. Was machen die Anderen anders? Wie sind wohl die eigenen Chancen? Stehen Bekannte außen am Ring?
Aufrücken! Warum setzt mein Hund gerade heute seinen linken Hinterfuß immer vor? Gestern stand er noch wie eine 1.
Aufrücken! Wird der Richter auch die abstehenden Haare an der Rute sehen, die mir gerade auffallen?
Aufrücken! Jetzt geht’s auf den Tisch. Vorsichtig – machen Sie doch Ihren Hund beim hochheben nicht strubbelig! Der Richter tastet den Körper des Hundes ab und verschafft sich einen Überblick über die Anatomie Ihres Prachtexemplars. Wie alt ist er denn? Sie kennen alle Daten Ihres Hundes – nur jetzt gerade nicht!
Jetzt laufen Sie bitte einmal ein Dreieck (achten Sie auf Ausstellungen mal auf die mannigfaltigen Interpretationsmöglichkeiten dieser doch an sich genau definierten geometrischen Figur). Prima, Ihr Hund läuft gut – bis zu der Falte im Teppich, die ihn nachhaltig aus dem Trott bringt. Jetzt die lange Gerade quer zum Richter. Muss dieser Hund gerade jetzt den Kopf herunternehmen? Sie spüren die Blicke aller anwesenden im Rücken. Geschafft. Zurück am Richtertisch. Leider verstehen sie von dem Diktieren des Berichtes keinen Ton. Hund, bleib bitte noch einen Moment so stehen! Nicht setzen!! Das haben wir doch so oft geübt.
Danke, der nächste bitte. Zurück in die Reihe. Voller Selbstzweifel. Ob es wenigstens noch für ein SG reicht? (Vergleich: Sie befinden sich immer noch im freien Fall). So, bitte alle wieder laufen. Danke. Nun bitte immer paarweise vom Richter weg und zurück. Haben sie die Theorie des Show-Handling noch im Kopf?
Der Richter beginnt die Platzierung und bedankt sich bei den restlichen im Ring Anwesenden. (Vergleich: Reißleine gezogen, Schirm auf). Entweder, sie sind auf Platz 1-4 und schweben glücklich noch eine Weile im 7. Ausstellungshimmel, oder es war ein kurzer Abschwung mit mehr oder weniger heftigem Aufprall. Wie auch immer – es ist überstanden.
Die Geräuschkulisse der Halle wird Ihnen wieder bewusst. War das hier den ganzen Tag schon so laut? Jetzt erst mal in Ruhe hinsetzen. Der Hund bekommt Wasser und ein Leckerchen, egal wie er abgeschnitten hat. Und der geduldige Begleiter wird den Rest des Ausstellungstages und auch während der Rückfahrt mit der detaillierten Analyse von Sieg, Niederlage und Formwertbeurteilung konfrontiert.
Ach ja, Beurteilung: erst mal gibt es diesen Richterbericht IMMER zu spät, da man ihn ja am liebsten gleich nach Verlassen des Ringes lesen möchte. Zudem ist die körperliche Anspannung nun gewichen und der Geist sucht Beschäftigung. Wo gibt es denn hier die Beurteilungen? und warum braucht der Veranstalter so lange, obwohl doch schon die nächste Rasse läuft (Vergleich: wohin mit dem lästigen, unsortierten Haufen nutzlos gewordener Fallschirmseide?).
Jetzt ist endlich Zeit, etwas zu essen. Vorher hat auch nichts geschmeckt. Dafür müssen die mitgebrachten Brote sich nun der Bockwurst mit Kartoffelsalat und einem Stück Kuchen vom Verpflegungsstand beugen. Gut, dass der Begleiter mit ist. „Gehst Du? Ich bin total kaputt“.
Später Nachmittag. Das vollgepackte Auto ist auf dem Weg nach Hause. Herrlich, diese Entspannung nach der Ausstellung. Vielleicht nur ein bisschen durch Frust über eine „schlechte“ Beurteilung getrübt oder aber im Hochgefühl, die Bestätigung erhalten zu haben für dass, was man ja sowieso schon wusste: der eigene Hund ist der schönste. Gut, dass der geduldige Begleiter noch weiß, wer in den nächsten Wochen auf welcher Ausstellung wo richtet. Diese Planung ist nämlich auch ein prima Thema für den Rückweg.
Bildernachweis:
Bild 1: archiv Rehm
Bilder 2 - 5: Kramer |
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