Chronischer Durchfall



 
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Marie
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BeitragVerfasst am: 10.3.2008, 10:20    Titel: Chronischer Durchfall    

Management des chronischen Durchfalls bei Hund und Katze

Christian Stockhaus*
Tierärztliche Fachklinik für Kleintiere, Haar-München

Chronische Durchfallerkrankungen sind für den Praktiker eine diagnostische und therapeutische Herausforderung. Nicht selten wird auf die verschiedenen diagnostischen Hilfsmittel eine falsche
Gewichtung gelegt. So wird von labordiagnostischen (inklusive Kotuntersuchungen) und röntgenologischenUntersuchungsverfahren häufig zu viel Aussagekraft erwartet.

Wichtig ist eine systemische Anamnese, konsequente Eliminationsdiät/Provokationsdiät und nach gründlicher Vorarbeit die Endoskopie und Darmbiopsie. Nur ganz selten ist es notwendig, eine diagnostische Laparotomie durchzuführen.

Bei der Diagnostik von chronischen Durchfallerkrankungen ist es essentiell, zunächst anamnestisch zu lokalisieren, ob es sich um Dünn- oder Dickdarmdurchfälle handelt. Dies erfordert ein systematisches
Fragemuster.

Überbewertet wird oft das Kriterium „frisches Blut“ bzw. „Schleim auf Fäzes“.

Wichtig sind vor allem die Erfragung des Kotvolumens, der Kotabsatzfrequenz und das eventuelle Vorliegen eines „echten“ Tenesmus. Weitere wesentliche anamnestische Kriterien werden erläutert. Mit Hilfe der
Anamnese kann somit, wenn systematisch durchgeführt, eine präzise Vorlokalisierung des Durchfalls erfolgen.

Die körperliche Untersuchung ist häufig ohne besonderen Befund. Zu kontrollieren sind Hinweise auf Gewichtsverlust und Eiweißmangel.

Die Palpation des Abdomens soll vor allem eine noduläre Darmveränderung oder Hepatomegalie und Aszites aufdecken. Beim Vorliegen von Tenesmus ist die rektale Untersuchung indiziert, insbesondere um extraintestinale Ursachen aufzudecken.

Die Labordiagnostik ist als allgemeines Screeningverfahren für die genaue Zuordnung von chronischen Darmerkrankungen oft wenig hilfreich. Wichtig ist die Hämatologie und klinische Chemie vor allem zur Aufdeckung extraintestinaler Durchfallursachen (z. B. Leber, Niere, Hypoadrenokortizismus, exokrine Pankreasinsuffizienz, Systeminfektionen, Diabetes mellitus).

Weiterhin kann eine Proteinverlustenteropathie sowie eine chronische Blutungsanämie als Folge eines schwereren ulzerativen Darmproblems erkannt werden.

Die mikrobiologische Kotuntersuchung wird bei chronischen
Durchfällen vielfach überbewertet, da bakterielle Befunde häufig nur eine Begleitkomponente der Grunderkrankung darstellen bzw. als physiologischen Befund gewertet werden müssen.

Extraintestinale Ursachen chronischer Dünndarmdurchfälle sollten identifiziert werden.

Nicht immer gelingt es, zu erkennen, ob eine extraintestinale Erkrankung Ursache oder Folge einer intestinalen Erkrankung ist (Problem Leber!).

Sind aufgrund der Voruntersuchungen extraintestinale Erkrankungen als zugrunde liegende Faktoren identifiziert worden, sollten diese zunächst behandelt werden. Beim Vorliegen einer Hepatopathie ist diese möglichst im Rahmen einer Biopsie zu identifizieren. Dieses gilt umso mehr, als das es auch eine Reihe von reaktiven Hepatopathien gibt, die sich als Folgereaktion eines primären Darmproblems einstellen.

Als häufigste intestinale Ursachen chronischer Dünndarmdurchfälle gelten Darmparasitosen, Futtermittelunverträglichkeit, Futtermittelallergie,

IBD-Syndrom („inflammatory bowel disease“),

bakterielle Überbesiedlung („antibiotic responsive diarrhoea“),

Darmneoplasien und kongenitale Erkrankungen wie die intestinale Lymphangiektasie oder idiopathische Zottenatrophie. Anhand des
intermittierenden oder konstanten bzw. sogar progressiven Verhaltens des Durchfalls kann zum Teil schon eine grobe Zuordnung zu diesen Erkrankungen erfolgen.

Echte Futtermittelallergien kommen vermutlich seltener bei Hunden und Katzen vor als temporäre oder konstante Nahrungsmittelintoleranzen.

Nur bei dem ersten Krankheitsgeschehen kommt es wirklich zur Ausbildung von immunologischen Gedächtnisreaktionen und einem echten antikörpervermittelten mukosalen Geschehen.

Die klinischen Symptome dieser Krankheitskomplexe sind sehr vielfältig.
Falls die Möglichkeit einer Unverträglichkeit besteht, sollte unbedingt eine Eliminationsdiät über 6-8 Wochen durchgeführt werden.

Fast jeder Besitzer hat bei seinem an Durchfall erkrankten Tier schon eine Diät erprobt. In den seltensten Fällen werden dabei jedoch die Anforderungen einer Eliminationsdiät erfüllt.

Wichtig ist bei Durchführung einer solchen Testdiät, den Besitzer genau über die Durchführung und den zu erwartenden Verlauf zu informieren.

Der Besitzer ist der „COACH EINER TESTDIÄT“ und hat einen
großen Einfluss auf den Erfolg oder Misserfolg.

Zu beachten ist, dass die serologische Diagnostik zur Beurteilung eines futtermittelallergischen Geschehens sehr kritisch und fragwürdig eingeordnet wird.

Auch parasitäre Darmerkrankungen sollten initial im Verlauf der Diagnostik identifiziert bzw. ausgeschlossen werden.

Im Rahmen des normalen Entwurmungsregimes werden vor allem Giardiainfektionen häufig nicht erfasst. Dieser Erreger kommt vermutlich viel öfter als erwartet als alleinige Ursache bzw. komplizierender Faktor einer chronischen Durchfallerkrankung in Frage.

Bei normalen Kotuntersuchungsverfahren werden Giardien zumeist nicht erfasst. Zu empfehlen ist ein ELISA-Test zum Nachweis.

Eine dreitägige bis fünftägige Therapie mit Fenbendazol führt in den
meisten, aber nicht in allen Fällen, zur vollständigen Erregerelimination.

Zu beachten ist aber darüber hinaus bei allen Tieren das Risiko einer Reinfektion. Nicht selten kommt es bei Giardieninfektionen auch zu schwereren sekundären immunologischen Reaktionen der Darmmukosa, die weit nach Erregerelimination noch vorherrschen können und ein Fortbestehen des Durchfalls verursachen können.

Die häufigste Ursache chronischer Durchfälle ist das „inflammatory bowel syndrome“ (IBD-Syndrom).

Hierbei handelt es sich vermutlich um eine intestinale Immunerkrankung, die durch eine Störung der Immuntoleranz des Darmimmunsystems bedingt ist.

Neben Durchfall kann es zu einer teilweise sehr unspezifischen Symptomatik bei den erkrankten Patienten kommen.

Der Nachweis des IBD-Syndroms basiert auf dem Ausschluss parasitärer bzw. allergischer Erkrankungen und dem Vorfinden bestimmter histopathologischer Abweichungen der Darmmukosa.

Zusätzlich konnte für den Hund gerade für die Verlaufskontrolle des IBD-Syndroms eine gute Korrelation der Krankheitsaktivität mit Akutphasenproteinen beobachtet werden.

Die Diagnose „geringgradiges IBD-Syndrom“ sollte sehr kritisch betrachtet werden, da es sich hierbei vielfach um eine unspezifische Reaktion auf andere Erkrankungen bzw. eine Futtermittelintoleranz bzw. - allergie handelt.

Unter Berücksichtigung bestimmter Prognosefaktoren sollte die spezifische Therapie des IBDSyndroms geplant werden. Eine Therapie mit Diäten und Metronidazol (10 - 15 mg/kg 2-mal täglich) kann ausreichend sein.

Häufig ist jedoch der Einsatz von Prednisolon evtl. mit Azathioprin (evtl. auch Cyclophosphamid) beim Hund bzw. Prednisolon evtl. mit Chlorambucil bei der Katze notwendig. In therapieresistenten Fällen war auch ein positives Ansprechen von Cyclosporin bei Hunden beobachtet
worden.

Mit diesem Therapieregime wird in den meisten Fällen eine vollständige Besserung erzielt.

Teilweise gelingt ein Ausschleichen dieser Medikamente im Verlauf von Monaten.

Einige Tiere müssen allerdings lebenslang behandelt werden. Je nach Ausgangssituation kann auch ein vollkommen therapierefraktäres
Verhalten beobachtet werden.

Dieses gilt vor allem für Fälle mit sehr schwerer Entzündungszellinfiltration,
schwerer Architekturveränderung der Darmwand sowie dem Vorliegen einer Proteinverlustenteropathie mit schwerer Hypoalbuminämie.

Falls mit diesen Medikamenten keine Besserung erzielt wird, sollte zuerst untersucht werden, ob der Besitzer die Therapie richtig durchführt.

Daneben ist gründlich zu prüfen, ob andere Erkrankungen wie Parasitosen oder bakterielle Überbesiedlung als Komplikationen mit vorliegen. Außerdem ist die Diagnostik des IBD-Syndroms in dem konkreten Fall neu zu diskutieren.

Vor allem im Zusammenhang mit einem unkritischen Einsatz von darmwirksamen Antibiotika, aber auch durch genetische Prädispositionen kommt es zur Entstehung der bakteriellen Überbesiedlung des
Darmes (small intestinal bacterial overgrowth = SIBO; antibiotic responsive diarrhea = ARD-Syndrom).

Die Diagnostik dieser Erkrankung ist sehr schwierig und stützt sich stark auf anamnestische Kriterien.

Die Bestimmung der Vitamin-B12- und Folatkonzentrationen im Serum sind für die Diagnostik dieser Erkrankung wenig hilfreich.

Auch die Bestimmung von dekonjugierten Gallensäuren im Serum erbrachte nicht die erhoffte diagnostische Aussagekraft.

Methode der Wahl ist die kulturelle Untersuchung von Duodenalsaft. Dabei hat sich allerdings gezeigt, dass die Gefahr einer Kontamination bei der Gewinnung von Duodenalsaft besteht und dass darüber hinaus nicht eindeutig geklärt ist, welche Referenzwerte beim Hund für die Diagnostik dieser Erkrankung einzusetzen sind.

Spezifische histopathologische Befunde existieren nicht bei SIBO. Es zeigt sich häufig, dass bei diesen Hunden der Einsatz von darmwirksamen Antibiotika wie Tylosin, Amoxicillin, Metronidazol oderTrimethoprim-Sulfonamid- Präparate zu einer kompletten Remission der Erkrankung führt und das Absetzen häufig wieder ein
Symptomrezidiv auslöst.

Eine ausreichend lange Therapie über mindestens 6 - 8 Wochen mit
darmwirksamen Antibiotika ist somit notwendig.

Die intestinale Lymphangiektasie kann beim Hund angeboren (vor allem beim Rottweiler und Yorkshire Terrier) oder erworben infolge von Neoplasien oder starker Entzündungen auftreten.

Laborveränderungen weisen nicht spezifisch auf diese Erkrankung hin. Die Endoskopie und Biopsie kann zur Diagnose führen. Problematisch ist jedoch die häufige Lokalisation im distalen Duodenum und
Jejunum.

Diese Bezirke werden bei der Endoskopie in der Regel nicht erreicht. Bei unklaren Fällen ist deshalb die Laparoskopie oder Laparotomie indiziert.

Die Therapie der intestinalen Lymphangiektasie basiert vor allem auf diätetischen Aspekten.

Bei komplizierten Fällen ist auch der Einsatz von Kortikosteroiden und eventuell Antibiotika notwendig.

Bei lokalisierten Lymphangiektasien sowie lipogranulomatösen Entzündungen ist eine Darmresektion zu erwägen.

Dünndarmneoplasien stellen aufgrund ihrer intramuralen Lokalisation oft ein diagnostisches Problem dar. Die Anamnese eines progressiven Durchfalls mit Gewichtsverlust sowie eventuell assoziierten
systemischen Krankheitszeichen kann den Verdacht auf eine Neoplasie lenken.

In vielen Fällen kann mit der Sonographie der Darmwand eine konkrete Verdachtsdiagnose eines Darmtumors gestellt werden.

Die Diagnosestellung kann dann durch Feinnadelbiopsien der Darmwand gelingen.

Die Endoskopie und Biopsie ist oft problematisch, da die neoplastischen Zellen in den Bioptaten vielfach nicht miterfasst werden bzw. der Tumor in einem für die Endoskopie nicht erreichbarem Darmareal lokalisiert ist.


Während die Therapie intestinaler Adenokarzinome oft unbefriedigend ist, können intestinale maligne Lymphome mit Hilfe einfacher Chemotherapieprotokolle wie dem COP-Protokoll erfolgreich kontrolliert
werden. Dies gilt vor allem für gut differenzierte intestinale Lymphome der Katze.

Seltene Ursachen chronischer Dünndarmdurchfälle sind die Histoplasmose, idiopathische Villusatrophie, Leishmaniose u. a.

Die Diagnoseschritte bei Patienten mit Dickdarmdurchfällen unterscheiden sich geringfügig von der Diagnostik bei Dünndarmdurchfällen. Wichtig ist hierbei die routinemäßige Durchführung des „Rectalscraping-
Verfahrens“.

Vor allem infektiöse Ursachen und hierbei insbesondere die Clostridium-perfringens-Colitis müssen initial ausgeschlossen werden.

Bei der Therapie dieser Colitis wird neben Antibiotika wie Amoxicillin oder
Metronidazol vor allem der Einsatz verdaulicher Rohfaserprodukte empfohlen.

Auch bei chronischen Dickdarmdurchfällen ist nach Ausschluss parasitärer Ursachen gründlich eine Futtermittelintoleranz zu untersuchen.

Das IBD-Syndrom ist auch eine häufige Ursache von Dickdarmdurchfällen und wird nach dem Ausschluss extraintestinaler Durchfallursachen sowie parasitärer oder allergischer Durchfälle mittels Endoskopie und Biopsie nachgewiesen.

Neben Kortikosteroiden ist auch der Einsatz von dickdarmwirksamen Antiphlogistika wie Sulfasalazin und Olsalazin möglich.

Die eosinophile Colitis und histiozytäre ulzerative Colitis stellen sehr schwer therapierbare Entzündungsformen dar, die ein radikales therapeutisches Eingreifen erfordern. Bei der histiozytären
Colitis haben Untersuchungen der letzten Jahre ein sehr positives Ansprechen auf Enrofloxacin bewiesen.

Das „irritable bowel syndrome“ ist eine Ausschlussdiagnose beim Symptom des Dickdarmdurchfalls beim Hund. Diensthunde sind häufiger davon betroffen.

Als Therapie wird neben verdaulicher und unverdaulicher Rohfaser auch der Einsatz von Sedativa empfohlen.

Colonneoplasien sind therapeutisch oft nur schwer kontrollierbar. Auch nach Resektion ist die Prognose ohne adjuvante Chemotherapie schlecht.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass bei chronischen Durchfällen von Hunden und Katzen ein systematisches Vorgehen unbedingt einzuhalten ist, um eine adäquate Behandlung einzuleiten.

Mit zunehmender Häufigkeit werden immundysregulatorische Erkrankungen beobachtet, die gewisse Gemeinsamkeiten mit dem Morbus Crohn bzw. Colitis-ulcerosa-Komplex beim Mensch haben.
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