seekrabbe Moderator
Alter: 66 Anmeldedatum: 08.10.2011 Beiträge: 1256 Wohnort oder Bundesland: Schleswig-Holstein
|
Verfasst am: 30.8.2012, 08:33 Titel: Ursachen der Hyperaktivität |
|
|
|
Ursachen für Hyperaktivität
Wenn ein Hund eine Information verarbeitet (angefangen mit der Anregung der Sinnesorgane bis Ausführung der Reaktion), durchläuft diese eine Reihe von Filtern, die dafür sorgen sollen, dass
1. nicht alle Umgebungsreize wahrgenommen werden. Unwichtige Informationen werden ausgefiltert, um das Gehirn nicht zu überlasten (z.B. spüren wir Menschen nicht ununterbrochen, dass unsere Kleidung unsere Haut berührt, wir nehmen im Wald nicht jedes Blatt wahr usw.).
2. die Art und Intensität der Reaktion den Umständen angemessen ist.
Diese Verarbeitung wird Wahrnehmungsmodulation genannt. Bei hyperaktiven Hunden funktioniert diese Wahrnehmungsmodulation nicht. Theoretisch gibt es zwei Möglichkeiten der Störung:
1. Die "Eingangsfilter" lassen zu viele Informationen durch, oder die Informationen kommen in zu starker Intensität an. Das Gehirn ist sozusagen "reizüberflutet".
2. Den "Ausgangsfiltern" gelingt es nicht, die Reaktionsstärke anzupassen, oder bestimmte Reaktionen zu hemmen.
Die Fähigkeit zu Modulation wird in einer günstigen Welpenzeit (s.u.) erworben. Der Hund erwirbt die Fähigkeit, bestimmte Reize nicht oder nur abgeschwächt wahrzunehmen, und bestimmte Reaktionen zu hemmen oder zu bremsen.
Außerdem kann diese Fähigkeit durch bestimmte Lebensumstände vorübergehend verloren gehen (z.B. Stress) oder ungenutzt bleiben (z.B. bei Förderung von Unruhe durch den Besitzer).
Im Folgenden beschreibe ich mögliche Ursachen und verschlimmernde Faktoren für Hyperaktivität.
Mein Schwerpunkt liegt auf den Ursachen, die nicht angeboren sind, und nicht in einer körperlichen Erkrankung liegen. Dabei wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.
Bitte beachten Sie, dass der Begriff Hyperaktivität bei Hunden weit gefasst und wenig differenziert gebraucht wird. Die Diagnose "Hyperaktivität" wird v.a. anhand von Symptomen gestellt.
- Rassebedingt
Bei Gebrauchshunden (Jagdhunde, Hütehunde und "Wachhunde") sind folgende Eigenschaften erwünscht:
- Hohe Leistungsbereitschaft (intensives und ausdauerndes "Arbeiten", hohe Toleranz gegen Frustration oder Schmerzen)
- Niedrige Reizschwelle (bessere Ansprechbarkeit durch Signale des Menschen, Wahrnehmung kleiner Veränderungen ihrer Umgebung: Bewegungen, Geräusche, ... z.B. von Tieren oder Eindringlingen)
- Anpassungsfähigkeit (schnelle Reaktion auf diese kleinen Veränderungen, Richten der Aufmerksamkeit auf ein neues Ziel, schnelle Veränderung des Verhaltens)
Diese Eigenschaften ähneln den genannten Charakteristika für Hyperaktivität. Sind also alle Gebrauchshunde hyperaktiv? Sicher nicht. Ihr Verhalten ist rassetypisch oder typisch für diese bestimmte Arbeitslinie. Aber: Werden Fehler bei Aufzucht oder Haltung gemacht, kann eher als bei anderen Hunden Hyperaktivität entstehen. Dies betrifft ganz besonders Hunde aus Arbeitslinien oder Leistungszwingern.
- Jugendphase
Viele Hunde weisen in ihrer Adoleszenz (Phase des Heranwachsens) Merkmale von Hyperaktivität auf. Dies ist lästig aber "normal".
Wird das typische Junghundeverhalten missverstanden, versuchen die Besitzer durch besondere Härte (Folgen siehe "Zurechtweisungen können aktivieren") oder übermäßige Beschäftigung (Folgen siehe "Überstimulation") dieses "Problem" zu bekämpfen.
Bei manchen Hunden kann bereits das gewohnte Maß an Stimulation (die gewohnten Besuche auf dem Hundeplatz, Stadtspaziergänge, Treffen mit Hundefreunden usw.) eine Überforderung darstellen, aus der vermehrte Unruhe und Reizempfindlichkeit resultieren.
Viele Junghunde sind ausgesprochen lebhaft. Deswegen besteht in dieser Zeit die besondere Gefahr, dieses Verhalten als lohnend zu erlernen.
- körperlichen Erkrankungen
Hunde können aufgrund verschiedener körperlicher Erkrankungen (z.B. Schilddrüse, Leber, Gehirn, alle schmerzhaften Prozesse oder Veränderungen, die Schwindel oder Missempfindungen auslösen) hyperaktiv werden.
Hyperkinese:
Von Hyperkinese spricht man, wenn die Hyperaktivität durch gehirnchemische Imbalancen hervorgerufen wird. Ein Verdacht auf Hyperkinese besteht, wenn Hunde nicht zur Ruhe kommen können. Sie sind immer aufgeregt, ihre Herzfrequenz und andere physiologische Werte sind immer erhöht.
Versierte Tierärzte können diesen Verdacht durch bestimmte Untersuchungen erhärten, und Hyperkinese entsprechend behandeln.
- Weitere Ursachen der Hyperaktivität liegen in der Verhaltensentwicklung eines Hundes
Diese sind für die Verhaltenstherapeutin / den Verhaltenstherapeuten besonders interessant. Denn sie können durch Vorbeugung vermieden werden, und sie sind durch Haltung und Training beeinflussbar. Es kann für die Verhaltenstherapie eines Hundes entscheidend sein, dass der Therapeut die Einflüsse kennt, die zur Hyperaktivität geführt haben.
Ursachen in der Verhaltensentwicklung
Bei meiner Recherche in Sachen Hyperaktivität stieß ich auf eine Menge verschiedener Vorschläge zu Ursachen. Im Folgenden liste ich die Erklärungen auf, die ich für die Entstehung von Hyperaktivität für plausibel halte, und die mit meinen Erfahrungen übereinstimmen.
In der Regel spielen bei jedem betroffenen Hund mehrere Ursachen oder verschlimmernde Faktoren eine Rolle. Häufig liegt mindestens eine Ursache in der Welpenzeit, deswegen werde ich auf diese Zeit besonders ausführlich eingehen.
Um möglichst übersichtlich zu sein, möchte ich die Erklärungen zur Entstehung in Kategorien teilen:
1. Stress
2. erhöhte Stressempfindlichkeit
3. Erlernen von Unruhe
4. Unfähigkeit, die eigenen Impulse zu kontrollieren
Dabei ist eine klare Trennung nicht möglich: ein erhöhter Stress-Level verändert die Reaktionsbereitschaft auf weitere "Stress-Auslöser" und verschlechtert die Fähigkeit, die eigenen Impulse zu kontrollieren. Lernen beeinflusst alle Kategorien.
1. Stress
Dass ein erhöhtes Stress-Niveau zu Überempfindlichkeit und Unruhe führen kann, ist bekannt. Es kann alleinige Ursache, verschlimmernder Faktor, aber auch Folge von Hyperaktivität sein.
Eine übermäßige Stressreaktion hat dauerhafte Folgen. Es kann neben andauernden Veränderungen im Stoffwechsel auch zu Lernprozessen kommen: die Hunde erwarten Angst, Unsicherheit oder Konflikt, der Ablauf der Stress-Reaktion ist "eingeübt" und läuft häufiger und schneller ab.
Folgende Ereignisse im Laufe des Hundelebens können dabei eine besondere Bedeutung haben:
Welpenzeit beim Züchter
* Mutterhündinnen, die grob mit ihren Welpen umgehen, können dadurch ihre Kinder in eine permanente Alarmstimmung versetzen. Diese Grundstimmung kann der Welpe nach der Entwöhnung beibehalten.
* Welpen, die kleiner sind als ihre Wurfgeschwister, erleben manchmal zu viel Frustration: sie bekommen ev. zu wenig Nahrung, Zuwendung und andere Ressourcen.
Welpenzeit beim neuen Besitzer
* Unter seinen Wurfgeschwistern hat ein Welpe die permanente Möglichkeit zu Körperkontakt. Außerdem sind seine sozialen Fertigkeiten angepasst an das Leben mit seinen Geschwistern und der Mutter. Sein Überleben ist von seiner Mutter abhängig. Er kennt die Umgebung beim Züchter genau. Ausgehend von dieser Sicherheit könnte er sich die Welt erobern.
Der Umzug zu neuen Menschen ist ein Trauma. Er bedeutet einen totalen Verlust an Sicherheit.
Diese Erfahrung ist schlimmer, wenn der Welpe sehr früh vom Wurf getrennt wird, wenn er vorher nie von seinen Geschwistern oder der bekannten Umgebung getrennt war, wenn der Transport aufwändig war, wenn die neuen Menschen völlig unbekannt sind, wenn in der neuen Familie soziale Kontakte (Körperkontakt!) nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen (Zwinger, Isolation in der Nacht...) und wenn der Welpe sich die neue Umgebung nicht allmählich erobern darf, sondern reizüberflutet wird (zu viele, wechselnde Menschen, Besucher, Spaziergänge, zu früh in die Welpenstunde...).
* Sowohl Unterforderung als auch Überstimulation können beim Welpen Stress auslösen. Es kann eine länger andauernde Aktivierung der Stressantwort resultieren.
* Zurechtweisungen können aktivieren: Ein engagierter Hundehalter wird möglicherweise versuchen, seine Vorstellungen mit Härte durchzusetzen. Die Folgen: erhöhter Stress, der Welpe in Unsicherheit, wenn er seinen Menschen sieht, das unbefriedigte Bedürfnis, Aufregung "abzureagieren" sucht sich immer neue Ventile... . Umso härter und konsequenter diese Maßnahmen erfolgen, desto aktivierender wirken sie.
Manchmal sind bestimmte Situationen (z.B. Mahlzeiten, abendliches Fernsehen...) besonders umkämpft: der Hund lernt dann, in diesen Situationen Konflikte zu erwarten.
2. Erhöhte Stressempfindlichkeit
Vorgeburtliche Ursachen:
* Bei Hunden mit niedrigen "Reizschwellen" werden innere Stress-Vorgänge schneller ausgelöst. Dies kann z.B. für Hunde aus Arbeitslinien und Leistungszwingern gelten.
* Sowohl ein stark erhöhter als auch ein sehr niedriger Stress-Level bei der Mutterhündin kann zu erhöhter Stressempfindlichkeit bei den Welpen führen.
Welpenzeit beim Züchter
Folgende Prozesse in der frühen Welpenzeit haben vermutlich Einfluss auf die spätere Stressempfindlichkeit:
* Entwicklung eines Gefühls für soziales Sicherheit
Freundliche mütterliche Zuwendung in der Welpenzeit erhöht die Anzahl von Oxytocin-Rezeptoren im Welpengehirn. Oxytocin wird auch als "Bindungshormon" bezeichnet, und vermittelt beim erwachsenen Hund das Gefühl von Zugehörigkeit und sozialer Sicherheit.
Hunde mit ausreichend Oxytocin - Rezeptoren zeigen eher sozial freundliches Verhalten. Sie reagieren weniger ängstlich auf Neues.
Ein Defizit kann dazu führen, das der Welpe und der erwachsene Hund übermäßig stark versuchen, Kontakt herzustellen. Daraus können die personenbezogenen Verhaltensweisen eines hyperaktiven Hundes entstehen: Vermehrtes aufmerksamkeitsheischendes Verhalten, vermehrte aktive Unterwerfung (Hochspringen...), vermehrte Unsicherheit (führt zu verstärkter Unruhe), häufiger Versuch, durch Spiel zu deeskalieren.
Hunde mit einem solchen Defizit sind außerdem unsicherer und reagieren stärker auf Neues. (siehe Teil 1 der Artikelreihe)
* Welpen, die sich wohlfühlen, können als Erwachsene möglicherweise Stress besser regulieren. Zum "Wohlfühlen" tragen dabei auch Umweltfaktoren bei: in einer Untersuchung wurden Welpen, die auf Decken und Handtüchern lebten mit solchen verglichen, die Pappe als Untergrund hatten.
* Gehirntraining
Altersgerechte Stimulation und mäßiger Stress fördern die Entwicklung der Fähigkeit zur Wahrnehmungsmodulation und zum Umgang mit Stress. Die Stimulation erfolgt dabei durch "tote" Umgebungsfaktoren und durch die Interaktion mit den Geschwistern und Besuchern.
Einzelwelpen, handaufgezogene Welpen, Welpen die in ruhiger Zwingerumgebung, in einem leeren Zimmer oder gar "traditionell" (abgedeckte, damit halbdunkle Kälberbox ohne Menschenkontakt) fehlt diese Stimulation. Sie werden später stärker auf Reize reagieren (auch stärkere Stressreaktionen haben).
Daraus können all die Symptome resultieren, die unter dem Begriff "niedrige Reizschwelle" zusammengefasst wurden. (siehe Teil 1 der Artikelreihe)
Leben die Welpen in extremer Reizarmut, kann die Entwicklung ihrer Sinnesorgane bzw. der Sinnesverarbeitung im Gehirn beeinträchtigt werden. Die "traditionelle" Haltung z.B. kann dazu führen, dass die Sinnesorgane Reize aufnehmen, dass Gehirn sie aber nicht verarbeiten kann. Die betroffenen Hunde zeigen als Erwachsene Unsicherheit mit den beschriebenen Folgen.
* Welpen konkurrieren mit ihren Geschwistern um Ressourcen wie Wärme, Milch, die Zuwendung der Mutter, Spielzeuge oder andere Ressourcen. So lernen sie, Frustration auszuhalten. (Voraussetzung ist natürlich, dass ihre grundlegenden Bedürfnisse befriedigt werden.) Einzelwelpen, handaufgezogene Welpen oder besonders große Welpen erleben diese Frustration weniger oder gar nicht. Müssen Sie später Frustration aushalten, dann erleben sie den Konflikt viel stärker. (siehe Teil 1 der Artikelreihe)
Welpenzeit beim neuen Besitzer
* Trauma des Verlust von Mutter und Geschwistern: Nach diesem Verlust kommt es häufig zu einem starken Bemühen des Welpen um Kontakt (um Aufmerksamkeit, um Körperkontakt). Als Folge kann er besonders ausgeprägt aufmerksamkeitsheischendes Verhalten, aktive Unterwerfung, Spiel zeigen - oder andere Verhaltensweisen, die die Aufmerksamkeit des Menschen garantieren (personenbezogene Verhaltensweisen, s.o.). Dieses Bemühen um Zuwendung hält an, bis das Bedürfnis befriedigt wird, oder der Welpe aufgibt. Manche Welpen geben die Suche nach Kontakt nicht auf, sondern entwickeln immer neue Strategien.
* Dies kann zu Strafmaßnahmen durch ihre Besitzer führen. Strafen können unerwünschte Folgen (Aktivierung) haben. Der Welpe wird noch eifriger nach positivem Kontakt suchen, oder die Strafe als eine mögliche Zuwendung begreifen, die er aktiv anstrebt!
* Auch beim neuen Besitzer ist eine altersgerechte mentale und körperliche Stimulation notwendig.
Ein Mangel in dieser Phase kann ebenfalls zu erhöhter Stressempfindlichkeit führen.
3. Erlernen von Unruhe
Welpenzeit beim Züchter
Erlernen grundlegender Strategien des Verhaltens
Alles, was in der Welpenzeit gelernt wird, ist gegen Veränderungen besonders stabil.
o Ein Welpe lernt Emotionen kennen. Er erlebt eigene Gefühle wie Angst oder Hilflosigkeit, außerdem übertragen sich die Stimmungen der Mutter auf den Welpen.
o Strategien werden gelernt.
Welpenzeit beim neuen Besitzer
* Der Welpe lernt in den ersten Tagen sehr eindrücklich, welche Verhaltensweisen erfolgreich Zuwendung hervorrufen. Wird hierbei vor allem Aktivität belohnt oder in beschriebener Weise gefördert, so kann übermäßige Unruhe eine Folge sein.
* Welpen, die zu viel intensive Aktion erleben (übermäßiges Ballspiel, übermäßiges Spiel mit anderen Hunden...), lernen Aktivität zu erwarten. Der Anblick von Personen, eines anderen Hundes, einer bestimmten Umgebung (Hundeplatz, Auslaufgebiet...) bestimmter Gegenstände (Spielzeug...) kündigen wilde Aktivität, Aufregung an. So werden alltägliche Dinge zum Auslöser für Unruhe.
* Dies gilt insbesondere für Hunde von aktiven Rassen, oder für Welpen, die sichtbar einen höheren Aktivitätslevel haben. Bei ihnen darf nicht verpasst werden, Ruhe zu fördern.
* Besonders aktive Welpen brauchen eine feste Struktur (Tagesablauf, Regeln...). Diese Struktur bietet Erwartungssicherheit und vermeidet zusätzliche Stimulation.
Zieht ein aktiver Welpe in einen lebhaften Haushalt mit vielen Menschen und wenig Struktur, dann wird er noch lebhafter werden.
* Fehler in Welpenstunden: Aufregung, die durch den Anblick eines anderen Hundes ausgelöst wird, kann in Welpenstunden antrainiert werden.
* Nicht jeder Haushalt wird welpengerecht eingerichtet, bevor das Hundekind einzieht.
* Aus den Konflikten resultieren Zurechtweisungen. Zurechtweisungen stimulieren oder erhöhen einfach den Stress im Hund. Einige Welpen freuen sich außerdem über die zusätzliche Zuwendung...
4. Mangelnde Fähigkeit zur Impulskontrolle
(Impulsivität, siehe Teil 1 der Artikelreihe)
Eine gute Impulskontrolle bedeutet die Fähigkeit zur "Selbstbeherrschung".
Ein Beispiel für Impulskontrolle ist die sog. Beisshemmung. Darüber hinaus kann man insgesamt von "sozialer Hemmung" sprechen, wenn ein Hund gelernt hat, den Körper und seine Bewegungen im Umgang mit anderen vorsichtig einzusetzen, und auf Stoppsignale von Hunden und Menschen zu reagieren.
Erlebt ein Hund, dass Bedrängen, schnelle Bewegungen oder Lautäußerungen zum Erfolg führen, dann wird seine Bereitschaft verringert, Impulse zu kontrollieren. Haben dieselben Verhaltensweisen keinen Erfolg, so werden sie seltener. Werden gleichzeitig vorsichtige oder langsame Verhaltensweisen oder Abstandhalten begünstigt, so lernt der Hund, diese Verhaltensweisen einzusetzen.
Diese Erfahrungen macht ein Hund lebenslang. Besonders wichtig scheint dieses Erleben in der Welpenzeit zu sein:
* Beim Heranwachsen werden die Interaktionen mit der Mutter und den Geschwistern intensiver. Nach dem Durchbrechen der ersten Zähne, wird Beissen immer häufiger negative Reaktionen hervorrufen. So erlebt der Welpe nach und nach Erfolge, Misserfolge und Abwehrreaktionen.
Besonders große oder aktive Welpen erleben seltener Misserfolge, oder können die negativen Reaktionen ihrer Geschwister einfach ignorieren.
* Während der Entwöhnung erlebt der Welpe diese Konflikte in besonderer Weise. Sie ist ein langsamer Prozess, während dem den Welpen der Zugang zum Gesäuge immer häufiger verweigert wird. Außerdem wird anderes Futter angeboten. Verpasst ein Welpe diese Entwöhnungsphase durch zu frühe Abgabe, oder weil die Mutter mit der Entwöhnung überfordert ist, dann resultieren sehr häufig Probleme mit der Impulskontrolle.
* Die Interaktion mit den Geschwistern bietet dem Welpen von Anfang an taktile Stimulation, später kommen weitere Sinneseindrücke hinzu. Diese Stimulation bewirkt eine erhöhte Fähigkeit zu Zuneigung und Selbst-Hemmung. Die Welpen reagieren eher auf Stoppsignale anderer Hunde.
Diese Erfahrungen können Einzelwelpen oder Welpen, die mit der Hand aufgezogen werden, fehlen.
Die Impulskontrolle wird also durch eine Kombination von Misserfolgen, unangenehmen Erfahrungen und Erfolgen gelernt. Es scheint sogar so zu sein, dass ein Hund Misserfolge und unangenehme Erfahrungen machen muss, um Impulskontrolle zu erwerben. (Achtung: Ausgesprochen unangenehme Erfahrungen, z.B. durch heftige Strafe, können zur Aktivierung führen, s.o. .)
Bei jeder Begegnung mit Menschen, Hunden oder anderen Tieren kann ein Hund die Erfahrung machen, dass ungebremste Aktivität sich lohnt - oder er kann lernen, sich vorsichtig oder langsam zu nähern.
Ursachen in der Zeit als erwachsener Hund
Traumata wie Tierheim-, Klinikaufenthalte oder Besitzerwechsel können in jedem Alter eine übermäßige Stressreaktion und damit teilweise dauerhafte vermehrte Unruhe und Reizempfindlichkeit hervorrufen.
Die beschriebenen Ursachen Defizit an Zuwendung, Belohnung für Unruhe oder aufmerksamkeitsheischendes Verhalten, ein Mangel an Struktur, falsche Härte und ein Mangel an körperlicher oder geistiger Stimulation können auch beim erwachsenen Hund Hyperaktivität fördern und im extremen Fall hervorrufen.
Quelle: Akademie für Tiernaturheilkundej |
|