Auch unter Hunden gibt es Pessimisten
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seekrabbe Moderator
Alter: 66 Anmeldedatum: 08.10.2011 Beiträge: 1256 Wohnort oder Bundesland: Schleswig-Holstein
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Verfasst am: 4.6.2012, 10:08 Titel: Auch unter Hunden gibt es Pessimisten |
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Eine neue Studie blickt in das Gemüt unserer vierbeinigen Freunde und stellt fest: Nicht nur bei uns Menschen gibt es Frohnaturen und Schwarzseher.
Allein sein ist für viele Hunde eine Qual. Oftmals ist ihre Verzweiflung über den vermeintlichen Verlust ihres Besitzers so groß, dass sie ihren Stress an der Wohnung und ihren Einrichtungsgegenständen auslassen. Da ähnelt der neugekaufte Socken schon mal ganz schnell einem Schweizer Käse, und die frisch gestrichene Wohnungstür hat auf einmal ein kreatives Kratzmuster bekommen.
Wie gut Hunde mit dem Alleinsein zu Recht kommen, hängt davon ab, ob ihre "Weltsicht" eher positiv oder negativ ist. Dies haben Forscher der britischen Universität Bristol nachgewiesen. Demnach sind pessimistische Hunde verzweifelt, wenn sie alleingelassen werden und zeigen dann Angstverhalten. Die Optimisten unter den Vierbeinern scheinen diese Situation besser verkraften zu können.
Die Wissenschaftler unter Leitung des Verhaltensforschers Michael Mendl untersuchten 24 Hunde, die kürzlich ins Tierheim gekommen waren. Erst kamen sie 20 Minuten lang zusammen mit einem Betreuer in einen leeren Raum, tags darauf wurden sie für jeweils fünf Minuten dort alleine eingesperrt. Videokameras beobachteten, wie Hunde bellten, auf Möbel sprangen - oder einfach ruhig blieben.
Pessimisten neigen zu Angstverhalten
In einem zweiten Versuchsteil stellten die Forscher Fressnäpfe mit Hunde-Köstlichkeiten auf und brachten den Vierbeinern bei, an welchen Stellen volle und an welchen Stellen leere Fressnäpfe standen. Später stellten sie diese an Plätzen dazwischen auf. Diejenigen Hunde, die freudig darauf zurannten, deklarierten sie als Optimisten; diejenigen die zögerten, als Pessimisten. Später wurden die Ergebnisse der beiden Versuche verglichen.
Die Forscher fanden heraus, dass Hunde, die eingesperrt Angstverhalten zeigten, eher zu den Pessimisten zählten. Die Optimisten waren auch in geschlossenen Räumen eher ruhiger. "Das ist wichtig für Hundebesitzer, wenn sie ihre Tiere richtig behandeln wollen", sagte Studienleiter Mendl. Es zeige, dass das Angstverhalten der Hunde bei Isolation kein "gutes Zeichen" ist, wie manche Tierhalter annehmen, sondern ihre Schützlinge unter der Situation leiden. Die Besitzer sollten ihren Tieren helfen und sie gegebenenfalls psychologisch behandeln lassen, empfahl Dr. Samantha Gaines von der Tierschutzorganisation "The Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals". Die Studie ist im Fachjournal "Current Biology" veröffentlicht.
Quelle: Stern
LG
Sunny und Elke |
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Verfasst am: Titel: Anzeige |
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Anja O`Glendence Moderator
Alter: 56 Anmeldedatum: 06.01.2004 Beiträge: 10663 Wohnort oder Bundesland: Deutschland
Hunde der User: Othello vom Büttgeshof Cascaja Alida von Steinberg O'Glendence Lovely Nayeli / O'Glendence Lovely Lancelot / O'Glendence Lovely Lancer O'Glendence Especially For Me /O'Glendence Especially For You O'Glendence Just Jeffrey Magic Moments of Joy vom Märchengarten
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Verfasst am: 6.6.2012, 16:19 Titel: |
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Jetzt würde ich aber auch gerne wissen, wie die psychologische Behandlung /eines Hundes / eines pessimistischen Hundes / eines Angsthundes aussieht? _________________ Netiquette
"Wie sollte man sich von der endlosen Verstellung, Falschheit und Heimtücke des Menschen erholen, wenn die Hunde nicht wären, in deren ehrliches Gesicht man ohne Misstrauen schauen kann"
"Tief im Winter lernte ich endlich, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer lag" (Camus)
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seekrabbe Moderator
Alter: 66 Anmeldedatum: 08.10.2011 Beiträge: 1256 Wohnort oder Bundesland: Schleswig-Holstein
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Verfasst am: 7.6.2012, 09:51 Titel: |
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Angst ist ein von der Natur vorgegebenes Reaktionsmuster, das dazu dient, Gefahren zu erkennen und adäquat auf sie zu reagieren. Man könnte Angst als ein körpereigenes Alarmsystem beschreiben, das uns in die Lage versetzt, rechtzeitig zu flüchten, oder gegen die Gefahr zu kämpfen. Dies gilt für Hunde genau so wie für Menschen. Angst ist also eine lebenswichtige und natürliche Reaktion.
Informationen, Tipps und Hintergründe zu Angstverhalten bei Hunden
Angstverhalten bei Hunden
Die körperlichen Prozesse und die starke Erregung, die mit Angst einhergehen, setzen bei jeder Angstreaktion ein. Auch wenn ein Hund nicht mit einem Gegner kämpfen oder vor einer Gefahr flüchten muss, löst sein Alarmsystem die Abläufe der so genannten „Kampf-Flucht-Reaktion“ aus. Also auch, wenn der Hund allein in der Wohnung Angst hat, oder sich z. B. vor Fahrrädern fürchtet, sagt ihm sein Alarmsystem: „Versteck dich! Flüchte! Und wenn du das nicht kannst, dann kämpfe.“ Und das tut er dann auch.
Aus lauter Panik, Angst und auch Frustration (zum Beispiel aus Verlassensangst, wenn Hunde alleine gelassen werden oder aus Frustration, weil Hunde gelangweilt sind) kommen so dann manchmal auch zerfetzte Sofas, zernagte Schuhe und sogar Angriffe auf Personen (Angstaggression, dazu mehr weiter unten im Artikel) zustande.
Viele Verhaltensweisen, die ängstliche Hunde zeigen, können wir erklären. Aber ebenso viele Ausprägungen von Angstverhaltensweisen scheinen Hundehaltern und auch Trainern unerklärlich.
Angstverhalten ist ein kompliziertes Gebilde, da sich verschiedene Verhaltenskreise von Hunden überschneiden können und sich dann auch nicht in feste Kategorien zwängen lassen.
Ängstliche Hunde können uns ihre Angst-Erfahrungswelt auch nicht so schildern, wie wir es von Menschen in Therapiesituationen kennen. Also wissen wir nicht immer, welche Maßnahmen und Therapiemethoden im Einzelfall erfolgreich sein können.
Können wir überhaupt Maßstäbe aus der menschlichen Angst-Erlebniswelt anwenden und was ist mit den therapeutischen Möglichkeiten? Ist es überhaupt Angst oder ist es Furcht? Oder eine Phobie? Angstverhalten bei Hunden stellt uns vor viele Rätsel.
Nur eine Sache wissen wir sicher: Angst ist eine höchst individuelle Angelegenheit!
Kann ein Hund grundlos Angst haben?
Uns erscheint unsere Wohnung sicher; niemand Fremdes kann hinein, alles ist gut und friedlich. Es gibt keinen Grund, in dieser Wohnung Angst zu haben! Deshalb ist es schwer zu verstehen, warum der Hund beispielsweise in der Wohnung Angst hat, wenn er dort allein ist. Es ist doch seine vertraute Umgebung! Oder: wir Menschen wissen genau, dass weder von Joggern, noch von alten Herren mit Hut und Stock eine Gefahr ausgeht. Trotzdem gibt es viele Hunde, die vor ihnen Angst haben.
Laute Geräusche sind sicherlich manchmal unangenehm, aber man muss vor einem Knall oder einem Gewitter doch keine Angst haben! Autofahren ist eine prima Angelegenheit. Man kommt schnell, warm und trocken von A nach B. Also, kein Grund, sich im Auto zu fürchten!
Sind Hunde dumm, dass sie so grundlos Angst haben? Natürlich nicht und ihre Angst ist nie grundlos. Wir müssen uns ein wenig mit dem natürlichen Hundeverhalten befassen, um zu verstehen, warum das Angstverhalten des Hundes sinnvoll und wichtig ist.
Angst ist auch ein Lernprozess
Angst vor bestimmten Dingen oder in bestimmten Situationen zu haben, ist unter anderem das Ergebnis eines lebenswichtigen Lernprozesses. Gut zu erklären ist dies mit einem viel zitierten wissenschaftlichen Experiment, dem „Pawlowschen Hund“. Iwan P. Pawlow, ein russischer Physiologe, machte folgenden Versuch:
Zunächst stellte er fest, dass sein Hund beim Anblick des Futters Speichel absonderte. Eine von der Natur angelegte Reaktion zur Vorbereitung auf die Nahrungsaufnahme, die jeder Hundehalter kennt. Außerdem stellte er fest, dass der Hund auf das Klingeln eines Glöckchens nicht mit Speichelabsonderung reagierte. Wozu auch? So weit, so logisch. Nun ließ Pawlow aber immer dann das Glöckchen klingeln, wenn er dem Hund das Futter hinstellte. Und nach kurzer Zeit zeigte sich das Resultat: Der Hund sonderte jedes Mal Speichel ab, wenn er das Glöckchen hörte - selbst wenn es dazu gar kein Futter gab. Diesen Vorgang nennen Lernpsychologen klassische Konditionierung.
Genau mit diesem und verwandten Reaktionsmustern können „Sitz“, „Platz“, „Hier“, „Pfui“ und eben auch Ängste erlernt werden.
Wenn der Hund eine bestimmte Situation gleichzeitig mit einer beängstigenden oder quälenden Wahrnehmung oder sogar Schmerz erleben muss, kann er die Situation mit dem Gefühl „Angst“ verknüpfen. Später wird er dann in ähnlichen Situationen Angst empfinden, auch wenn er keine Schmerzen hat und nicht bedroht wird.
Es reicht unter Umständen ein einziges traumatisches Erlebnis, um bei einem Hund eine tief sitzende Angst zu manifestieren.
Die Folge: das Verhaltensprogramm Angst läuft dann in ähnlichen Situationen sozusagen automatisch ab. In der Wildnis macht dieser Mechanismus durchaus Sinn. So lernen wild lebende Tiere, vor welchen Dingen und Situationen sie sich in Acht nehmen müssen; sie lernen das Überleben unter anderem durch das „Hilfsmittel“ Angst.
Ängste - Definitionen und Ausprägungen?
Aus unserer menschlichen Sicht können wir zwischen den nützlichen Ängsten und den behindernden Ängsten unterscheiden.
Sehr nützlich ist es zum Beispiel, wenn ein Hund in südlichen Ländern Angst vor Schlangen hat oder ein frei laufender Hund wegläuft, wenn ein Auto schnell auf ihn zu fährt.
Behindernd ist Angst, wenn so genannte Fehlverknüpfungen stattgefunden haben. Dies passiert zum Beispiel häufig bei Hunden, die einen Weidezaun berühren und einen elektrischen Schlag bekommen. Viele Hunde haben im Anschluss an dieses Erlebnis Angst vor dem Vieh, auf das zum Zeitpunkt des Schrecks ihre Aufmerksamkeit gerichtet war, nicht vor dem Zaun. Das ist ein Beispiel für eine klassische Fehlverknüpfung.
Tipp: Woran Sie Fehlverknüpfungen erkennen können.
Ein Beispiel: Ihr Hund zeigt ganz plötzlich, ohne für Sie erkennbare Auslöser, ein rätselhaftes (z. B. schreckhaftes) Verhalten. In solchen Situationen können Sie probieren, die Situation genau zu analysieren: Wer oder was war anwesend? Welche Geräusche waren zu hören? Gab es Gerüche, die ungewöhnlich waren?
Versuchen Sie dabei mal, in die Sinneswelt der Hunde einzutauchen: Hunde sehen (im Verhältnis zu uns Menschen) sehr schlecht, können z. B. in anderen (höheren) Frequenzbereichen wesentlich besser hören, riechen um ein Vielfaches besser und sind sogar in der Lage, für uns nicht wahrnehmbare Stoffwechselprozesse (z. B. Angstschweiß oder Stimmungswechsel) sehr genau wahrzunehmen.
Plötzlich auftretende Angstreaktionen können grundsätzlich auch Zeichen für Fehlverknüpfungen sein!
Behindernde Ängste werden auch Phobien genannt. Kennzeichnend für eine Phobie ist, dass der Gegenstand oder die Situation, die mit Angst besetzt sind, eigentlich gar keine Gefahren darstellen. Phobien sind im Grunde nicht schwer zu therapieren, denn alles Erlernte kann auch wieder verlernt werden.
Eine Phobie die nicht oder falsch behandelt wird, kann dagegen recht weitgreifende Folgen haben. Phobien können die fatale Eigenschaft haben, sich zu verselbständigen und Folgeverhalten zu beeinflussen.
Wo der Welpe am Anfang nur Angst hatte, auf den Arm genommen zu werden, hat der heranwachsende Hund mit der Zeit auch Angst, eine Treppe hinauf zu gehen und ist völlig außerstande, eine Brücke zu überqueren. Eine anfängliche Angst vor Knallern kann sich unter Umständen zu einer Panik vor jedem plötzlichen Geräusch auswachsen.
Tipp: Sie oder Ihre Trainer haben ein Angstverhalten festgestellt.
Bevor Sie irgendeine Therapie anwenden, hier die allerwichtigste, erste Maßnahme: Vermeiden Sie möglichst jede neue Problemsituation! Gehen Sie den Auslösern von Problemverhalten aus dem Weg!
Denn: angstauslösende Reize wirken in falscher Dosierung auf Verhalten sehr häufig selbstbestätigend. Es tritt dann also bei wiederholter Konfrontation mit dem Angstauslöser keine Gewöhnung oder Linderung ein, sondern das Angstverhalten wird verstärkt.
Anders ist das bei der so genannten Desensibilisierung, die eine wirksame Therapie bei Angstverhalten sein kann; diese sollte aber nur mit verhaltenstherapeutischer Betreuung durchgeführt werden. Mehr dazu im zweiten Teil.
Im Unterschied zu Phobien gibt es auch die so genannte generalisierte Angst. In diesem traurigen Zustand hat der Hund gelernt, dass einfach alles im Leben bedrohlich ist. In eine generalisierte Angst können Hunde zum Beispiel geraten, wenn bei ihnen das Reaktionssystem Angst so häufig hintereinander ausgelöst wurde, dass es nach einer Weile schon bei ganz geringen Anlässen oder bei jeder Veränderung in der Umwelt in Gang kommt. Solche Hunde zu therapieren, ist – sehr stark abhängig vom Alter des Tieres – kompliziert und manchmal sogar unmöglich.
Beispiel: Volta – Teil 1
Volta ist eine Labrador-Hündin, die mit vier Jahren von Tierschützern aus den Händen eines üblen Vermehrers befreit wurde. Die Hündin wurde nur zur Zucht missbraucht und verbrachte Jahre in einem dunklen Verschlag. Eine Familie mit Problemhundeerfahrung nahm die Hündin auf. Volta war aber nicht in der Lage, sich in der neu gewonnenen Sicherheit zurecht zu finden. Sie verweigerte jeden Kontakt und verkroch sich in der Küche. Nahrung nahm sie anfangs nicht an.
Erst als die Leute feststellen, dass Volta nur nachts fraß, probierten sie, das Fenster in der Küche zu verdunkeln. Die Hündin fraß so auch tagsüber, aber es durften keine Menschen in der Nähe sein und die Türen mussten geschlossen sein. Sobald ein Mensch auch nur in ihre Nähe kam, kotete und urinierte sie vor Angst.
Gründe für Angst
Unzureichende Sozialisierung
Im Alter von ca. 4 bis 14 Wochen (je nach Rasse und Lebenssituation variieren diese Altersangaben) befindet sich der Welpe in einer so genannten sensiblen Phase, in der er besonders empfänglich und neugierig auf seine Umwelt reagiert. Die Phase nennt man auch Prägephase. In dieser Phase werden soziale Kontakte und Umweltreize, mit denen der Hund in dieser Zeit neutrale oder positive Erfahrungen macht, in das Bild seiner normalen und nicht bedrohlichen Umwelt integriert.
Prägephase? Da war doch was…? Ja, richtig: Konrad Lorenz und die Graugänse – jeder hat doch schon mal davon gelesen oder gehört. Und es ist durchaus ein Vergleich statthaft, nur mit dem Unterschied, dass die Prägephase bei Hunden wesentlich länger dauert als bei Gänsen. Außerdem können Gänse auch besser fliegen…
Dinge, Situationen oder Lebewesen, die ein Hund in dieser Zeit nicht kennen lernt, werden von ihm später unter Umständen als Störfaktoren in seiner Umwelt betrachtet, die es zu vertreiben oder zu meiden gilt.
Tipp: Woran kann ich den Sozialisierungsstatus meines Hundes erkennen?
Wenn der Hund auf Reize in seiner Umwelt ungewöhnlich heftig oder oft schreckhaft reagiert, wie zum Beispiel auf Geräusche, Autos oder Personen, dann könnte es an einer fehlenden Sozialisierung liegen. Angst und Meideverhalten sind weitere häufige Anzeichen einer mangelnden Gewöhnung in der Prägephase.
Wie verhalte ich mich am besten, wenn ich sehe, dass mein Hund schreckhaft auf Teile seiner Umwelt reagiert?
Wichtigster Tipp: Nehmen Sie Rücksicht! Wenn Sie bei Ihrem Hund ängstliches Verhalten, Meideverhalten oder Schreckhaftigkeit vor bestimmten, für Sie erkennbare Situationen oder Reizen wahrnehmen, dann gehen Sie diesen Reizen vorerst möglichst aus dem Weg. Ersparen Sie dem Vierbeiner wenn möglich den Stress! Vergessen Sie Tipps wie „Da muss er durch!“ oder „Da muss er sich dran gewöhnen!“. Wirklich rücksichtsvoll und konstruktiv ist es, wenn Sie Problemsituationen behutsam angehen und Ihrem vierbeinigen Gefährten erst einmal die nötige Sicherheit durch Ihre Nähe vermitteln.
Natürlich lässt sich auf eine unzureichende Sozialisierung in bestimmten Maße und unter bestimmten Voraussetzungen auch später noch Einfluss nehmen, doch zu keinem späteren Zeitpunkt seiner Entwicklungsphase wird ein Hund die Möglichkeit haben, sich an seine Umwelt so anzupassen (also Menschen, Kinder, Katzen, Pferde, Autos, Geräusche, u. v. m. kennen zu lernen), wie in dieser Lebensphase. „Fehler“ oder „verpasste Möglichkeiten“ während der sensiblen Phase sind daher gewöhnlich nicht mehr reversibel.
Negative Erfahrungen und Traumata
Hunde lernen vor allem über die Verknüpfung von Empfindungen mit Situationen, Dingen und Lebewesen. Beispiel: Ein Hund, dessen Rute in einer Autotür eingeklemmt wurde, kann den wahrgenommenen Schmerz mit allen möglichen Dingen, die er in diesem Moment ebenfalls wahrgenommen hat, verknüpfen.
Beispiel Laura:
Als Welpe ist sie von einem seriösen Züchter zu einer Familie gekommen. Obwohl sie laut. Auskunft der Besitzer nie negativen Kontakt zu älteren Menschen mit Handwägelchen hatte, entwickelte sie eine panische Angst vor dieser oder ähnlich aussehenden Personengruppen. Nach ausführlichen Gesprächen (mit den Kindern!) stellte sich heraus, dass Lauras Schwanz auf einem Supermarktparkplatz mal in der Kofferraumtür eingeklemmt wurde. Die Kinder hatten beobachtet, dass genau in diesem Moment eine ältere Dame mit Handwägelchen ihre Aufmerksamkeit auf die Hündin richtete. Eine Verkettung von unglücklichen Situationen führte in diesem Moment also dazu, dass Laura den Schmerz mit der Zuwendung dieser zufällig gerade anwesenden Person verknüpfte.
Dieses Beispiel zeigt sehr schön, dass es später oft schwierig ist herauszufinden, warum der Hund vor diesem oder jenem Angst hat. Wir merken nicht immer, welche Dinge er miteinander verknüpft und manchmal befinden sie sich auch außerhalb unserer Wahrnehmungsmöglichkeiten (Geräusche, Gerüche).
Sind bestimmte Dinge oder Situationen erst einmal mit der Erfahrung von Schmerz oder Schreck in Zusammenhang gebracht worden, lässt sich diese Einheit nur schwer wieder auflösen. Besonders problematisch ist die Tatsache, dass solche Verknüpfungen sich immer weiter auf immer mehr Dinge ausbreiten können.
Im Falle des oben beschriebenen Hundes kann es z. B. passieren, dass er sich nun vor einer unvorhergesehen um die Ecke kommenden älteren Frau mit Handwägelchen erschreckt und im selben Moment ein Bus vorbeifährt. Der Schreck vor der älteren Frau wird nun evtl. auch mit dem Bus in Verbindung gebracht und fortan wird dieser Hund möglicherweise auch Angst vor Bussen haben. Im Laufe der Zeit macht er die Erfahrung, dass die gefürchteten Busse häufig mit Personengruppen in Verbindung stehen, die ein oder aussteigen und nun werden vielleicht auch Ansammlungen mehrerer Personen zu Angstauslösern.
Bei sehr sensiblen Hunden können negative Erfahrungen und Traumata auf diese Art zu Selbstläufern werden, die fortlaufend neue Negativverknüpfungen entstehen lassen. Nach und nach werden immer mehr Bereiche im Alltag des Hundes mit Angst besetzt, so dass es Hund und Halter zunehmend unmöglicher wird, die Angst durch Meidung bestimmter Situationen zu verhindern. In solchen Fällen ist eine Verhaltenstherapie unumgänglich, um stressbedingten gesundheitliche Schäden des Hundes vorzubeugen.
Tipp: Löschen von negativen Früherfahrungen oder Fehlverknüpfungen:
Sollten Sie oder Ihr Hundetrainer eine solche Fehlverknüpfung bzw. negative Früherfahrung eindeutig erkannt haben, ist es unter Umständen möglich, diese durch eine so genannte Gegenkonditionierung (oder: Extinktion) zu lindern oder sogar zu löschen.
Dabei wird diese Verknüpfung sozusagen umgepolt; einfach ausgedrückt: der angstauslösende Reiz wird ganz vorsichtig, sehr langsam und behutsam in Verbindung mit positiven Situationen/Bestärkungen/Belohnungen präsentiert, mit dem Ziel, dass der Hund später mal auf den früher negativ wirkenden Reiz neutral oder sogar positiv reagiert.
Führen Sie das ausschließlich mit Ihrem Hundetrainer oder Verhaltenstherapeuten durch!
Fehlverknüpfungen bei Ausbildung mittels aversiver Methoden
Leider wird in der Ausbildung und Erziehung von Hunden immer noch sehr häufig auf Methoden
zurück gegriffen wird, die den Hund durch Schmerz oder Schreck zum Vermeiden unerwünschten
Verhaltens bringen sollen. Unzählig sind die Fälle von Hunden, die aufgrund falscher oder falsch ausgeführter Trainingsmethoden angstbedingtes Problemverhalten erst recht zeigen.
DAS Negativbeispiel: Einige Hunde fürchten sich, in der Gegenwart ihrer Halter zu urinieren oder Kot abzusetzen, weil sie als Welpe für eine Pfütze oder ein großes Geschäft auf dem Teppich die Zeitung zu spüren bekamen oder mit der üblen „Schnauze-ins-Geschäft-Methode“ malträtiert wurden. Manche von ihnen halten deshalb ihre Ausscheidungsprodukte während des Spaziergangs ein und verstecken sich anschließend in der Wohnung, um sich an einer heimlichen Stelle zu lösen.
Noch zahlreicher sind die Fälle von Hunden, die Angst oder Angstaggression gegenüber Artgenossen zeigen, weil sie von ihrem Halter als Junghund körperlich bestraft oder angeschrien wurden, als sie neugierig auf einen potentiellen Spielkameraden zuliefen und dabei die „Komm"-Rufe ihres Besitzers nicht befolgten. Die negative Erfahrung der Strafe haben sie nicht mit ihrem „Ungehorsam" verknüpft, sondern mit dem, worauf ihr Fokus gerade gerichtet war, dem anderen Hund.
Besonders dramatisch können Fehlverknüpfungen beim Einsatz von Reizstromgeräten (Teletak-Halsband) sein. Es gibt Fälle, in denen der Hund den Schreck und den Schmerz, der von dem Halsband ausging, nicht nur mit dem Kaninchen, welches er gerade verfolgte, sondern z. B. auch mit dem freien schnellen Lauf an sich verknüpft hat.
Dies kann dazu führen, dass solche Hunde fortan soviel Angst vor freier Bewegung spüren, dass ein ausgelassenes Spiel über eine freie Wiese nicht mehr möglich ist. Auch die stromfreien Alternativen dieser Halsbänder sind problematisch und wir empfehlen, einen großen Bogen um diese Dinger zu machen. Solche Halsbänder arbeiten mit Luftdruckstößen, Zitronengeruchszerstäubern oder Tonsignalen. Sie fügen dem Hund zwar keinen Schmerz zu, können aber durch den Schreck, den der plötzliche Luftstoß, das Zischen, der Ton usw. möglicherweise hervorruft, ebenso zu Fehlverknüpfungen und der Ausprägung von Ängsten führen.
Genetische Disposition
Konkrete Ängste vor bestimmten Dingen sind Hunden nicht angeboren, wohl aber die Anlage, diese unter anderem aufgrund oben genannter Ursachen weniger oder mehr auszubilden. Wie hoch die Tendenz ist, Ängste und Unsicherheiten zu entwickeln, hängt nicht nur vom individuellen Wesen eines Hundes, sondern auch manchmal von seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse ab.
So wurden z. B. viele Hütehunderassen über Generationen hinweg auf ein besonders sensibles Gehör hin gezüchtet. Gerade diese Rassen bilden daher häufig Ängste gegenüber lauten oder unbekannten Geräuschen aus. Auch Rassen, die auf einen sehr sensiblen Charakter und nervöses Temperament hin ausgelesen wurden, wie etwa Setter oder Windhunde, neigen vermehrt zu angstbedingtem Problemverhalten.
Klar ist jedoch auch, dass eine genetische Disposition vor allem dann zum Tragen kommt, wenn Umweltfaktoren die Ausbildung des entsprechenden Verhaltens verstärkend beeinflussen. Es ist also möglich, dem späteren Auftreten von Ängsten und Unsicherheiten durch eine entsprechende Aufzucht, umfangreiche Sozialisation und Gelegenheiten zu zahlreichen positiven Umwelterfahrungen frühzeitig entgegenzuwirken.
Angstaggression
Fühlt sich ein Hund durch die Annäherung oder ein bestimmtes Verhalten fremder Menschen, Kinder, anderer Hunde, etc. bedroht, versucht er, seine Furcht in der Regel schon recht früh durch Körpersprache mitzuteilen. Unter anderem hierbei existieren unserer Erfahrung nach die größten Missverständnisse in der Kommunikation zwischen Mensch und Hund, weil viele Hundehalter und sogar Experten nicht in der Lage sind, diese Körpersprache richtig zu sehen bzw. zu deuten.
Drohverhalten, defensive Aggression
Der Hund sendet also zunächst mehr oder weniger deutliche Beschwichtigungssignale aus, um das bedrohliche Individuum zu veranlassen, sich anders zu verhalten oder sich wieder zu entfernen. Zeigt diese Information keinen Erfolg, stellt sich (Angst-)Aggression ein und der Hund wird beginnen, die „Gefahr" (defensiv) zu bedrohen. Dabei werden die Zähne bei langem Lippenspalt gebleckt, der Hund knurrt, bellt evtl., runzelt den Nasenrücken, sträubt das Nacken- und Rückenfell.
Calming Signals
Gleichzeitig sendet er allerdings weiterhin Beschwichtigungssignale zum Beispiel durch angelegte Ohren, eine geduckte, nach hinten gezogene Körperhaltung und eingeklemmte Rute.
Wird vom Gegenüber dennoch die Fluchtdistanz, also die Distanz, in der der Hund eine Bedrohung noch akzeptiert ohne zu fliehen, unterschritten, so weicht der Hund in den meisten Fällen zurück oder flüchtet, falls er die Möglichkeit dazu hat. Fehlt die Möglichkeit zur Flucht und wird eine weitere Distanz, die so genannte Wehrdistanz, vom Gegenüber unterschritten, sieht der Hund letztlich keine andere Möglichkeit mehr, als sich durch Abwehrschnappen und/oder –beißen zu verteidigen. Dabei schießt der Hund meist rasch vor, fasst kurz zu und zieht sich wieder drohend zurück (das nennt man dann auch Drohschnappen). Meist führt dieses Verhalten zum Erfolg, die Bedrohung wird vertrieben, zieht sich zurück.
Tipp: Beschwichtigungssignale erkennen, anwenden, darauf reagieren.
Die Beschäftigung mit den „Calming Signals“ gehört mit zu den faszinierendsten Dingen für Hundehalter und –freunde. Hier ist das Buch von Turid Rugas „Calming Signals - Die Beschwichtigungssignale der Hunde“ sehr zu empfehlen.
Für Besitzer von Angsthunden eröffnen sich durch das Wissen über die Calming Signals ganze neue Erkenntnisse und einige Möglichkeiten der Anwendung!
Je häufiger ein Hund in eine solche Situation gebracht wird, in der er erkennt, dass aggressives Verhalten ihn zu einem erwünschten Ergebnis führt, desto häufiger und zielgerichteter wird er dieses Verhalten in Zukunft einsetzen. Man kann also irgendwann einen Lerneffekt, eine Kopplung der Angstaggression mit, oder den Übergang in eine erlernte Aggression feststellen. Hier spricht man dann vom typischen Angstbeißer.
Defensive Aggression auf Grund kontraproduktiver Maßnahmen
Nicht selten haben wir Hunde erlebt, denen Angstaggression durch Übungen inkompetenter Hundetrainer („alte Schule“) regelrecht antrainiert wurde. Da wurden dem Halter angebliche Verhalten aus dem Repertoire des hündischen Aggressionsverhaltens als Maßnahme gegen vermeintliches Dominanzverhalten (ein Begriff aus der hundetrainerischen Steinzeit) empfohlen: ängstliche Hunde wurden so auf den Rücken gelegt (das Märchen vom Alphawurf), durch Herunterdrücken gemaßregelt oder mit anderen gewalttätigen Maßnahmen traktiert.
Die Folgen: Meideverhalten und beschwichtigendes Verhalten der maßregelnden Person gegenüber (daher erscheint dieses Steinzeit-Training für die ausführenden Personen ja auch so wirksam!), aber angstaggressives Verhalten anderen Menschen gegenüber: Ein gefährlicher Teufelskreis!
Tipp: Alphawurf, Dominanzverhalten, etc..
Machen Sie einen ganz großen Bogen um Einrichtungen bzw. vermeintliche Hundeexperten, die Ihnen was von Alphawurf, Stachelhalsband, „Hunde auf den Rücken legen“ und Dominanzverhalten erzählen oder Ihnen raten, Ihren Hund anzuknurren oder beim Fressen die Schüssel wegzunehmen.
Das empfehle ich nicht nur für Angsthunde-Besitzer!
Gerade beim Thema Angstaggression wird deutlich, dass man Ängste und angstbedingtes Problemverhalten bei Hunden frühzeitig ernst nehmen und ihm sachkundig entgegenwirken sollte. Nicht nur um dem Hund eine bessere Lebensqualität bieten zu können sondern auch, um seine Umwelt vor evtl. Gefahren, die von einem angstaggressiven Hund ausgehen, zu schützen.
In den allermeisten Fällen können Angstbeißer erfolgreich therapiert und resozialisiert werden, einfacher und ungefährlicher ist es aber, das Problem rechtzeitig vor dem Auftreten aggressiven Verhaltens zu lösen und es erst gar nicht so weit kommen zu lassen.
Literaturtipp: „Das Aggressionsverhalten des Hundes“ von James O'Heare: Das ist ein uneingeschränkt empfehlenswertes Buch mit vielen Infos und konkreten Tipps zu den Themen Angst, Aggression und Kontrollverhalten.
Aber beachten Sie bitte: Wenn Angstaggression und Aggression bei Ihrem Hund ein Problem ist, sollten Sie sich unbedingt professionelle Hilfe suchen!
Informationen, wie und wo Sie professionelle Hilfe finden, lesen Sie am Ende dieses Textes.
(Ungewollte) Verstärkung durch Fehlverhalten der Halter
In den meisten Fällen versuchen Halter mit dem angstbedingten Problemverhalten ihres Hundes anfangs allein klar zu kommen. Handelt es sich nur um einige wenige Auslöser und kommt es zu keinen weiteren negativen Verknüpfungen, kann das Meiden der jeweiligen Situationen durchaus ein Arrangement sein, mit dem Hund und Halter dauerhaft stressfrei leben können. Häufig ist es aber so, dass sich das Verhalten mit der Zeit verstärkt. Viele Hundebesitzer versuchen dann, durch gutes Zureden, Futterbelohnungen usw. ihren Hund zu beruhigen. Geschehen diese belohnenden Methoden aber während der Hund Angst hat, kann dies zu einer Bestärkung des Verhaltens führen und es wird in Zukunft noch häufiger und intensiver gezeigt als bisher.
In vielen Fällen ist der Hund in solchen Momenten aber auch so in seiner Angst gefangen, dass er gar nicht offen für die Zuwendung von Seiten seines Begleiters ist. Hier kann es passieren, dass der Hund durch die Bemühungen des Halters noch mehr unter Druck gerät, seine negative Stimmung noch weiter abrutscht und sich die Angst dadurch ebenfalls weiter verstärkt.
Ein weiterer schwerwiegender Fehler ist, den Hund nach der Methode „da muss er einfach ein paar mal durch“ selbst zu therapieren. Der Hund wird so nicht langsam Schritt für Schritt an für ihn bisher bedrohliche Situationen gewöhnt, sondern viel zu schnell mit einem viel zu großen Reiz konfrontiert.
Steigt dabei der Angst- und Stresspegel zu hoch und kann das Tier dieser Situation nicht ausweichen, ist das Risiko, dass sein Verhalten in Angstaggression wechselt und schließlich in einer erlernten Aggressivität endet, sehr hoch. Oft richtet sich ab diesem Zeitpunkt der Fokus des Halters und der Umwelt ausschließlich auf die aggressiven Elemente, die eigentliche Ursache des Verhaltens, die Angst, tritt für den Beobachter in den Hintergrund und der Hund wird von nun an für sein Verhalten bestraft.
Diese zusätzlichen negativen Erlebnisse während auslösender Situationen können den weiteren Verlauf dramatisch beeinflussen, bis letztendlich jemand ernsthaft verletzt wird oder der Hund als hoffnungsloser Fall zur Euthanasie gebracht wird.
Mein unvergleichlicher Hund
Unser heutiges kynologisches Fachwissen bezieht sich streng genommen nur auf die Anteile des Hundes, die bei allen anderen Hunden auch zu finden sind. Also auf die Grundlagen des Verhaltens und der Physiologie. Ein Hund – das wissen wir alle, die wir mit Hunden leben – besteht aber aus viel mehr als nur der Summe seiner wissenschaftlich erforschten Anteile. Da wären zum Beispiel noch:
Angeborenes Verhalten/Anteil
Rassedispositionen
Zustand der Mutterhündin
Verlauf der Prägephase
Erfahrungen mit dem Halter
Allgemeine Erfahrungen
Lebenssituation
Umweltbedingungen
und noch viel mehr
Die Dinge und Situationen, die der Hund im Laufe seines Lebens kennen lernt und erlebt, haben einen entscheidenden Einfluss darauf, was für ein Individuum mit welchen besonderen Verhaltensausprägungen, Vorlieben, Abneigungen und individuellen Eigenarten er wird. Und das bedeutet schließlich, dass es keine allgemeingültigen Verhaltensrezepte oder Übungsabläufe geben kann.
Jeder Hund und jeder Hundehalter sind Individuen. Genauso individuell ist auch die Kommunikation in jedem einzelnen Mensch-Hunde-Team.
Das Zusammenleben beider macht eine einzigartige Kombination und eine einzigartige Beziehung aus. Alle Bemühungen und ganz besonders alle Bemühungen, in Richtung Angstverhalten etwas zu verändern, haben also den besten Erfolg, wenn sie an die individuelle Beziehung angepasst sind.
Tipp: Alltagstipps für Sie und Ihren ängstlichen Hund!
Führen Sie Rituale in Ihren Alltag mit dem ängstlichen Hund ein: Sich täglich wiederholende Aktivitäten oder Verhalten Ihrerseits schaffen dem Hund Strukturen. Strukturen wiederum schaffen Sicherheit und sind tolle Basis für weitere Maßnahmen, Angstverhalten zu lindern. Beispiele: Feste Gassizeiten, feste Fütterungszeiten oder auch Rituale in Ihrem Alltag.
Fördern Sie gemeinsame Aktivitäten, denn diese festigen die Bindung zu Ihrem Hund und geben ihm Sicherheit! Es gibt so viele gute Ideen und Methoden für gemeinsame Aktivitäten. Welche Methode speziell zu Ihnen und Ihrem Hund passt, entscheiden Sie. Wenn es Ihnen einfach keinen Spaß macht, Ihren Hund über Geräte hüpfen zu lassen, dann ist Agility halt nicht Ihre Methode. Und wenn Ihr Hund einfach kein Talent zur Fährtenarbeit hat, dann ist das eben auch nicht Ihre Methode. Auch wenn andere damit wunderbare Erfolge hatten.
Vielleicht ist das Schönste und Vertrauensbildendste für Sie ja, zusammen über Baumstämme zu balancieren oder gemeinsam joggen zu gehen.
Oberste Priorität ist immer: Es muss mir und meinem Hund Spaß machen! Hunde (ja, selbst Angsthunde!) sind ausgesprochen „spaßorientierte“ Wesen. Daran können wir uns gerade in der Angsthunde-Therapie ein Beispiel nehmen!
Finden Sie heraus, was Ihnen und Ihrem Hund gemeinsam Spaß macht!
Cave! Desensibilisierung
Letztlich läuft jedes Training und jede Verhaltenstherapie für ängstliche Hunde darauf hinaus, dass der Hund weniger sensibel auf seinen Angst auslösenden Reiz reagiert. Es gibt eine ganze Reihe von verschiedenen Methoden für solch ein Training, die individuell auf die speziellen Ängste und die Lebenssituation des Hundes abgestimmt sein müssen.
Es gehört viel Hintergrundwissen und Erfahrung dazu, einen ängstlichen Hund zu desensibilisieren, ohne dabei unbeabsichtigt das Gegenteil zu erreichen. Für Sie als Halter eines ängstlichen Hundes ist Folgendes wichtig zu wissen: Beim Üben mit dem ängstlichen Hund ist es äußerst bedeutsam, seine persönliche Leistungsgrenze herauszufinden. Wenn Sie die überschreiten, verkehrt sich die Wirkung der Übung ins Gegenteil. Der Lernprozess geht nicht schneller wenn man die Schritte vergrößert oder eine Übung den ganzen Tag wiederholt. Sie können das Fortschreiten des Hundes nicht beschleunigen, nur begleiten und fördern. Es braucht seine Zeit und jeder Hund braucht seine eigene Zeit.
Tipp: Step by Step
Üben Sie immer in ganz kleinen, kurzen Schritte und führen Sie ein Verhaltens- bzw. Übungstagebuch. Schreiben Sie genau auf, wann Sie welchen Fortschritt gemacht haben, bei welcher Übung Sie ganz besonders das Gefühl hatten, etwas GEMEINSAMES zu machen und notieren Sie Verhalten, die Ihnen besonders auffallen.
Auch für Ihren Hundetrainer oder Hundepsychologen sind diese Notizen Gold wert!
Beispiel Pauline:
Pauline kommt von einem spanischen Vermehrer, der über 30 Hunde in seinem Haus unter schlimmsten Bedingungen zusammengepfercht hatte. Kannibalismus, Stereotypien und schwere Angstverhaltensstörungen wurden beobachtet. Pauline wurde auch zur Dackelzucht benutzt.
Als die Behörden eine Räumung veranlassten, sollte Pauline mit den anderen Hunden in eine Perrera, eine dieser berüchtigten spanischen Tötungsstationen kommen. Dort hätte sie keine Chance gehabt. Tierschützer kümmerten sich um sie und ein deutsches Tierheim erklärte sich bereit, sie aufzunehmen.
Pauline landete so im Tierheim und zeigte dort ein extremes und auffälliges Verhalten: Sie lief im Kreis – sobald Menschen auch nur in ihre Nähe kamen. Starkes Hecheln und ein panischer Ausdruck begleiteten das. Nahrung nahm sie nur in der Dunkelheit auf. Es wurde immer schlimmer. Sie war fast ununterbrochen am Kreisen und nahm extrem ab.
Ein herbeigerufener Tierarzt diagnostizierte Epilepsie und verschrieb ihr Antiepileptika. Ratlos ob dieser Diagnose kontaktieren Tierfreunde vor Ort eine Hundeverhaltenstherapeutin, die zufälligerweise gerade einen Pflegeplatz frei hatte.
Pauline konnte also zu ihr, in einen Haushalt mit drei anderen Hunden und zwei Kindern. Bis auf ihre Haltung in Spanien und ihr auffälliges Verhalten im Tierheim waren von der Hündin keine weiteren Informationen vorhanden.
Die Therapie, die jetzt folgte, dauert noch bis heute (zwei Jahre später) an und erweist sich als eine der erfolgreichsten überhaupt, denn sie lässt Zeit. Pauline wurde von einem auf den anderen Tag in den Haushalt „integriert“. Man schuf ihr Rückzugsmöglichkeiten und nahm Rücksicht auf ihre Angst, indem man ihr gegenüber zum Beispiel verstärkt Beschwichtigungssignale zeigte.
Pauline lebte mit im Haushalt und lernte mit der Zeit, dass ihr in der neuen Umgebung keine Gefahr drohte. Anfangs zeigte sie noch ähnliches stereotypisches Verhalten wie im Tierheim, aber das legte sich nach ein paar Wochen. Bis heute hat sie dieses unruhige Hin- und Herwandern aber nicht ganz abgelegt.
Es erforderte einiges Management (z. B. um zu verhindern, dass sie weglief), Veränderungen im Alltag (Zeitmanagement, Fütterungen nachts, etc.) und indirektes Training, bis sich die ersten Erfolge zeigten.
Indirektes Training fand so statt, dass jede Zuwendung zu Menschen, jede Aufmerksamkeit und jede Kontaktaufnahme belohnt wurden. Gleichzeitig etablierte man einige feste Rituale für sie. Pauline lernte über diese Rituale Vertrauen zu fassen und selber Gewohnheiten zu entwickeln. Diese Gewohnheiten waren dann der Ansatzpunkt für weitere, konkrete Übungen.
Tierkommunikation
Wir sind überzeugt davon, dass es Menschen gibt, die eine besondere Ader zu Hunden haben. So gibt es zum Beispiele Menschen mit jahrzehntelanger Hundeerfahrung, die „hündisch“ sehr gut verstehen und darin sogar kommunizieren können, ganz besonders einfühlsam sind und sehr sensitiv in Bezug auf hündische Sinneswahrnehmungen sein können. Ob es einen siebten Sinn der Tiere (bzw. die Existenz von morphischen Feldern, die in der Literatur im Zusammenhang mit diesem siebten Sinn formuliert werden) gibt, mag jeder selber beurteilen, der in der Lage ist, seine Wahrnehmung mal in eine etwas andere Richtung zu lenken.
Was wir aber noch nie erlebt haben, ist eine deutlich erkennbare Lösung von Verhaltensstörungen bzw. Angstverhalten auf Grund einer Tierkommunikations-Therapie via Foto, Telefon oder Internetdiagnose. Wir mussten dagegen allerdings mehrfach erleben, dass Entscheidungen oder Maßnahmen, die da auf Grund einer vermeintlichen Kommunikation mit dem Hund gefällt wurden, vermessen waren, äußerst weitreichende (negative) Konsequenzen für Zwei- und Vierbeiner hatten und nicht selten einfach nur kontraproduktiv wirkten. Unter anderem aus diesem Grund halten wir die meisten, der momentan so massiv auftretenden Tierkommunikations-Angebote für sehr zweifelhaft und raten dringend davon ab!
Medikamente zur Therapie von Angstverhalten
Medikamente lassen wir von Tierärzten nur in den seltensten Fällen einsetzen. In den wenigen Fällen haben wir die Wirkung dieser Medikamente auch nur genutzt, um überhaupt erst einen Einstieg in die Verhaltenstherapie zu bekommen. Hier der zweite Teil des Beispieles von Volta (wir erinnern uns an Teil 1 des Beispieles weiter oben: Volta wurde vier Jahre in einem dunklen Verschlag als Zuchthündin missbraucht, bis sie von den Behörden befreit wurde und bei einer Familie in Deutschland landete):
Beispiel: Volta - Teil 2
Volta wurde ein Beruhigungsmittel verabreicht. Gleichzeitig bauten die Tierfreunde einen „Verschlag“ unter ein Hochbett in einem Kinderzimmer. Der Filius der Familie zog für diese Zeit netterweise in das Zimmer seines Brüderchens mit ein.
Zudem wurde Voltas Zimmer verdunkelt. So konnte Volta erst einmal zur Ruhe kommen. Nach und nach wurde die Umgebung etwas verändert.
Nach mehreren Wochen konnte Volta sich bei geöffneten Vorhängen alleine im Raum bewegen und sie hatte sich auch an die aus dem Deckel einer großen Hundenbox bestehenden „Hunde-Katzentoilette“ gewöhnt. Das Medikament wurde langsam abgesetzt.
Parallel setzten Desensibilisierungsmaßnahmen unter kräftiger (und begeisterter) Mitwirkung der Kinder ein. Die Kinder hielten sich täglich abwechselnd in halbstündigen Phasen in den Raum auf und bewegten sich langsam und äußerst vorsichtig.
Jeder Funken Neugier wurde mit einem Stück Käse o. ä. belohnt. Die Eltern kamen mit ins Spiel und nach einem halben Jahr konnte sich Volta (ohne Medikamente) im Raum mit anwesenden Personen bewegen. Anfassen ließ sie sich noch nicht.
Das Trainingsprogramm wurde erweitert, Halsband und Leine wurden behutsam trainiert und nach etwa acht Monaten war es soweit: Volta machte ihren ersten vorsichtigen Spaziergang im Garten. Ein paar Wochen später gehörten gemeinsame Spaziergänge außerhalb des Hauses zum Alltag.
Volta ist mit acht Jahren an Krebs gestorben. Die letzen Jahre ihres Lebens ging es ihr allerdings richtig gut, sie lebte in Sicherheit, mit Spaziergängen, Streicheleinheiten und sie wurde von ihrem Menschrudel geliebt!
Erst das Medikament brachte die Hündin in diesem Fall so zur Ruhe, dass überhaupt ein Ansatz für verhaltenstherapeutische Maßnahmen vorhanden war. Hier stand also weniger die Wirkung des Mittels im Vordergrund, sondern der Zeitpunkt, an dem es abgesetzt wurde.
Medikamente in der Angstverhaltenstherapie
Grundsätzlich sind wir eher gegen die medikamentöse Behandlung von Angstverhalten bei Hunden. Antidepressiva oder andere Mittel als Therapie gegen Angststörungen bei Hunden mögen für die Halter kurzfristig Vorteile (Ruhe…) haben, aber häufig sind die Nachteile für so eingestellte Hunde zu groß: die Hunde sind zum Beispiel oft nicht mehr in Lage, sich Artgenossen gegenüber hündisch korrekt zu verhalten.
Wir wissen außerdem kaum, wie Medikamente bei Hunden wirken. Denn woher sollen wir das auch wissen? Ein Hund kann uns die Wirkungsweise von Antidepressiva oder (bei Angstverhalten häufig verschriebene) Medikamenten, die die Stressspitzen nehmen, nicht schildern. Er kann uns nicht sagen, ob er dabei Kopfschmerzen, Wahrnehmungsstörungen oder Übelkeit empfindet. Wir erleben immer wieder, dass Medikamente eingesetzt werden, ohne parallel das eigentliche Problemverhalten durch Therapie und gezieltes Training zu begleiten. Das kann also keine alleinige Lösung für das eigentliche Problem sein!
Alarmsystem Angst und Desensibilisierung
Es gibt einen wichtigen Mechanismus beim Trainieren von angstbesetzten Situationen:
Das Alarmsystem Angst schaltet sich irgendwann auch wieder aus! Wenn der Angst auslösende Reiz nicht zu übermächtig ist, dann hört die Angst nach einer gewissen Zeit wieder auf. Diesen Mechanismus machen sich die so genannten Desensibilisierungs-Trainings zu Nutze. Aber Vorsicht: Ist der Reiz zu stark, steigern Sie die Angst des Hundes. Deshalb darf Desensibilisierung niemals in eine Art Crash-Kurs ausarten und muss immer in ganz kleinen Schritten gemacht werden. Sie sollte auf jeden Fall von erfahrenen Tiertherapeuten begleitet werden.
Tipp: Rückzug und Rücksicht!
Grundsätzlich sollten Sie Ihrem Angsthund in der Wohnung immer die Möglichkeit bieten, sich vor anderen Haustieren, Menschen und allen angstauslösenden Faktoren zurückzuziehen.
Tipp: Geduld haben und kommen lassen!
Selbst die besonders problematischen Angsthunde lernen irgendwann, dass von ihren neuen zweibeinigen Rudelführern keine Gefahr ausgeht und machen den ersten Schritt! Und wenn es Monate dauert, dieser erste Schritt ist der wertvollste! Haben Sie Geduld und belohnen Sie diesen ersten Schritt mit besonderer Zuwendung, einem speziellen Leckerchen oder merkbarer Stimmungsänderung!
Beim Üben einer abgeschwächten angstbesetzten Situation ist es sehr wichtig, die Übung erst dann zu beenden, wenn der Hund keine Angst mehr zeigt und sich entspannt hat. Brechen Sie die Übung vorher ab, bestätigen Sie nur die in dem Moment noch vorhandene Angst. Die große Erleichterung, die Ihr Hund empfindet, wenn Sie den Angst auslösenden Reiz wegnehmen, ist dann wie eine Art Belohnung für die Richtigkeit der vorangegangenen Angst.
Es ist also eine sehr diffizile Sache, ein Desensibilisierungstraining durchzuführen. Besonders die Tonaufnahmen von Gewittern, Schüssen und Feuerwerken haben schon bei vielen Hunden die Geräuschangst drastisch verstärkt, weil sie falsch eingesetzt wurden.
Grundsätzlich sollten solche Tonträger auch nie zu Hause abgespielt werden. Dies kann eine tiefe Erschütterung im Vertrauen des Hundes bewirken: „Jetzt knallt es sogar schon in meinem Zuhause!“ Der letzte Ort, an dem sich der Hund noch sicher fühlte, ist dann auch von Ängsten durchdrungen. Wir halten diese Tonträger also für kontraproduktiv!
Angstverhalten ist vielschichtig. Gerade die vielen Auslandshunde haben uns Ausprägungen von Angst- und Meideverhalten gezeigt, die einen geradezu erschaudern lassen, wenn man sich die Auslöser nur vorstellt!
Mit Management, kompetenter und fachlicher Begleitung, Rücksicht, viel Zeit, realistisch gesteckten Zielen und – was die wichtigsten aller Punkte sind – Verständnis und Geduld gibt es aber auch für besonders heftige Fälle durchaus Möglichkeiten der Therapie!
Tipp: Wie erkenne ich/wo finde ich erfahrene Hundetrainer und Hundepsychologen?
Gute Trainer und Verhaltenstherapeuten
haben langjährige Erfahrung mit den verschiedensten Hunderassen bzw. Mischlingen oder Auslandshunden,
sind miteinander vernetzt,
bilden sich regelmäßig fort,
legen höchsten Wert auf problemspezifisches Training bzw. individuelle Verhaltenstherapie und nicht auf DIE (manchmal sogar patentierte!) Methode,
sind besonders gut in der Lage, kompetent und freundlich mit Ihnen als Hundehalter zu kommunizieren,
haben plausible Erklärungen und können gut erläutern,
lehnen jede Form von Starkzwang oder Gewalt ab,
nehmen sich für besonders viel Zeit für die Zweibeiner und… … sind aber (leider) häufig zeitlich ziemlich ausgelastet…
Sie erhalten Adressen, Anschriften und Tipps unter anderem bei:
IG Hundeschulen: http://www.ig-hundeschulen.de
CANIS - Zentrum für Kynologie: http://canis-kynos.de/
Animal Learn: http://www.animal-learn.de/
Quelle: Tierärztepool |
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